Würzburg (POW) Die Kirche muss den demokratischen Staat ernst nehmen und sich fragen, welchen Dienst sie ihm erweisen kann. Das hat Professor Dr. Hans Maier, ehemaliger bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus, im Matthias-Ehrenfried-Haus betont. Maier war Festredner der diesjährigen Jahresvollversammlung der Gesellschaft zur Förderung der Augustinus-Forschung. „Politische Theologie – neu besehen“ war sein Thema am Samstagvormittag, 2. November. Der Verleger des Augustinuslexikons, Dr. Urs Breitenstein, wurde für seine Verdienste mit der Wahl in das Kuratorium des Zentrums für Augustinus-Forschung (ZAF) ausgezeichnet. Die Veranstaltung stand unter der Leitung des Vorsitzenden, CSU-Generalsekretär Dr. Thomas Goppel. Ein Grußwort sprach Würzburgs Oberbürgermeisterin Pia Beckmann.
„Fehlt die Gerechtigkeit, was sind Regierungen dann anderes als große Räuberbanden?“ Oberbürgermeisterin Beckmann stimmte mit dem Zitat aus Augustinus‘ „De Civitate Dei“ in die Kritik ein, welche die ehemaligen Staatsminister Goppel und Maier über die Steuerpolitik der Bundesregierung äußerten. Goppel kritisierte, dass die Eidesleistung des halben Kabinetts Gott links liegen lasse und dass die Kirchen erstmals in einer Regierungserklärung nicht erwähnt worden seien. „Dieser Unglaube bringt Unfreiheit“, sagte Goppel.
„Politische Theologie“ war das Thema des Tages und um sie kreiste auch Maiers Festvortrag. Angefangen von Carl Schmitts 1922 erschienen Werk „Politische Theologie“ über Erik Petersons „Monotheismus als politisches Problem“ von 1935, über die Befreiungstheologie und die politischen Religionen des Kommunismus und Nationalsozialismus gewinne die Frage nach dem Gewaltpotenzial der monotheistischen Religionen eine traurige aktuelle Brisanz. Augustinus habe politische Theologie letztlich abgelehnt. Gott sei kein innergeschichtlicher Glücksbringer, und alle Religionen müssten sich am Ende vor Gottes Gericht verantworten. Augustinus habe gefordert, dass man nicht auf das hören solle, was das Vaterland gegen Gott befehle. Staaten und Reiche hätten keinen Anspruch auf kultische Verehrung, sondern besäßen bloße Hilfsfunktion. Aus dem Blickwinkel der Ewigkeit betrachtet, würden sie ebenso relativiert wie Kriege und Kriegsruhm.
Historisch hätten Christen keine eindeutige Haltung zur Obrigkeit eingenommen, erläuterte Maier. Dem Gebet für den Kaiser sei der Aufruf gegenüber gestanden, Gott mehr zu gehorchen als dem Imperator. Entgegen römischer Praxis habe sich im Christentum der Zeit des Augustinus kein Herrscher mehr unwidersprochen zum Gott erklären können. Als dämonisches, eitles Blendwerk sei verstanden worden, was sich Gott nenne, ohne es zu sein. Augustinus Denken habe den entscheidenden Schritt hin zur Entgöttlichung und Gesetzlichkeit des Staates getan. Ebenso habe er die Linearität der Geschichte und damit die Verantwortlichkeit des Menschen betont. Ewigkeit komme nur Gott zu und habe in der Geschichte nichts verloren. Zugleich habe Augustinus die Universalität der Menschheit entdeckt und keinen Unterschied mehr zwischen Kultur- und Naturmenschen gemacht – Grundlage der heutigen Menschenrechte. Zur neuen Aufgabe des Staates sei geworden, Hüter des Rechts und Anwalt der Schwachen zu sein. Die Kirche habe bei der Neukonstituierung von Staaten geholfen, zugleich aber gewaltlose Revolutionen in der ehemaligen sozialistischen und der Dritten Welt unterstützt und historisch keine homogene Rolle zum Staat eingenommen.
Nur in Ausnahmesituationen habe sie selbst staatliche Macht übernommen und in dieser Hinwendung zur Welt, wie etwa im Fall Kardinal Richelieus, die Gefahr des Absinkens ins Weltliche erlebt. Wo Staat und Kirche jedoch nicht im Rapport stünden, bestehe die Gefahr von Spiritualismus und Politikverdrossenheit, warnte Maier. Eine neue politische Theologie könne es seit Augustinus‘ Erkenntnissen nicht mehr geben. Gefragt sei statt dessen eine Theologie, die Politik begleite und erhelle.
Professor Dr. Cornelius Mayer, Leiter des ZAF, würdigte Urs Breitenstein, den langjährigen Verleger des Augustinuslexikons. Da die Gesellschaft keine Auszeichnungen vergebe, sei Breitenstein in Anerkennung seiner Verdienste um die Augustinusforschung in das Kuratorium des ZAF gewählt worden. Schon vor 23 Jahren, als er noch Lektor des editierenden Schwabe-Verlags war, habe er sich mit vollem Einsatz um das Projekt Augustinuslexikon bemüht und später als Verleger die Edition auch als Mäzen unterstützt.
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